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DRK unterstützt Familien mit Video-Home-Training in der Erziehung

Angelika Viehstädt wirft noch einen Blick auf die Daten im Computer. DRK unterstützt Familien mit Video-Home-Training in der Erziehung

„Versteckte“ Kamera im Wohnzimmer

Angela Viehstädt wirft noch einen Blick auf die Daten im Computer. Dann packt sie ihre Videokamera ein und fährt los. Ihr Ziel: Eine Familie im Landkreis Ludwigslust-Parchim. Sie ist im Auftrag des Jugendamtes über sogenannte Fachleistungsstunden unterwegs, um zwischen Plau am See und Crivitz, Demen und Goldberg zu helfen. Als Video-Home-Trainerin besucht sie Eltern und Kinder, filmt, erklärt in der Nachbesprechung, unterstützt, wo sie nur kann. 45 bis 60 Minuten beobachtet die Systemische Sozialtherapeutin vor Ort, was gut und was weniger gut in der Kommunikation einer Familie läuft. Sechs bis acht solcher Termine gehören zu ihrer Begleitung. Diese finden in einem Zeitraum von drei bis vier Monaten statt.

„Es ist schon ein richtig ehrlicher Blick in den Spiegel, der unseren Klienten durch die authentischen Filmaufnahmen vorgehalten wird. Sie erleben sich selbst und mögliche Konfliktpotenziale aus einer völlig anderen Sicht. Darauf bereite ich die Familien akribisch vor, nehme Ängste und baue Hemmschwellen ab. Vertrauen ist hier elementar. Wir besprechen vorher, welche Stärken es gibt, welche Situationen Verunsicherung auslösen, wo Unterstützung gewünscht ist.“ Die erfahrene Familienbegleiterin berichtet von Situationen, in denen Eltern meinen, ihr Kind reagiere nicht auf ihre Ansprache. „Guckt man ganz genau hin, sieht das oft anders aus“, weiß Angela Viehstädt. „Da erzählt ein Kind voller Stolz, eine bessere Note bekommen zu haben. Das wird nur beiläufig aufgenommen, weil jemand in der Küche gerade Geschirr wegräumt oder abgelenkt ist. Die Wahrnehmung, zum Beispiel durch direkten Blickkontakt, geht verloren. Und damit auch, dass dem Kind ein wenig mehr Anerkennung gut getan hätte.“ Oftmals sind es Verständigungsprobleme, die für Reibung sorgen und das Miteinander erschweren. Angela Viehstädt nimmt diese sehr genau wahr und hält sie im Video fest. Es geht ihr nicht darum, quasi mit versteckter Kamera alle Unzulänglichkeiten einzufangen, die der Alltag aufweist. Vielmehr möchte sie vor allem Momente im Bild festhalten, die positiven Einfluss auf die Beziehung zwischen Erziehenden und Kindern nehmen können, die bestärkend wirken. Dafür steht sie auch schon mal morgens früh um sechs an der Wohnungstür, ist beim Spielen oder in der Hausaufgabenzeit dabei oder aber, wenn die Kleinen ins Bett gehen.

Für die Tätigkeit als Video-Home-Trainerin braucht es eine Menge Einfühlungsvermögen. „Ich habe viele Jahre lang bei jedem Einsatz der Videokamera geübt, verschiedenste Einstellungen ausprobiert, immer wieder neue Blickwinkel entdeckt und gelernt, meine eigene Präsenz absolut in den Hintergrund zu rücken, damit tatsächlich authentische Situationen gefilmt werden. Läuft es gut, nehmen meine Protagonisten weder mich noch die wirklich sehr kleine Kamera wahr.“ Auch technisches Know-how gehört selbstverständlich dazu, um das Filmmaterial nach inhaltlicher Sichtung zu schneiden und die Erkenntnisse auf den Punkt zu bringen.

Angela Viehstädt wollte schon als Kind Erzieherin werden. Sie absolvierte die Ausbildung und begann 1993 beim Kreisverband des DRK zu arbeiten. Ihre Tätigkeit mit vielen verschiedenen Stationen bot ständig Gelegenheit, neue Erfahrungen zu sammeln und sich immer weiter zu qualifizieren. „Die Arbeit mit Familien, direkt in deren Alltagssituationen, war genau mein Ding. Ich erwarb im Jahr 2009 die Zusatzqualifikation für die begleitete Elternschaft und damit die Option, als Video-Home-Trainerin zu arbeiten.“ Interaktionsbegleitung in Schulklassen, Ressourcen in der Eltern-Kind-Beziehung aufspüren, gern auch praktische Lebenshilfe geben – Angela Viehstädt hat die Kamera fortan nicht mehr aus der Hand gelegt. Vielmehr drückte sie die Schulbank, erwarb weiteres Know-how und weckte Interesse beim Jugendamt für diese besondere Form der Unterstützung. Seit 2015 bietet die heute 48-Jährige Video-Home-Training im Rahmen der ambulanten Familienhilfe an und gehört damit zu ganz wenigen, die auf diese besondere Weise Familien im Land Mecklenburg-Vorpommern unterstützen. Im Landkreis Ludwigslust-Parchim ist ihr Einsatz einmalig.