(c) OSTSEE−ZEITUNG

Die Stralsunder Studentin Nena Stelling untersucht, inwieweit die Weiterentwicklung des Defibrillators helfen kann, damit noch mehr Leben zu retten.


Von der EM habe ich fast nichts mitbekommen, weil ich gerade an meiner Bachelor-Arbeit geschrieben habe. Doch das Ereignis von Christian Eriksen erreichte mich über viele Kanäle – und hat mich echt gepackt.

Nena Stelling

Studentin

Stralsund. Es waren dramatische Bilder. Das Schicksal des Fußballspielers Christian Eriksen während der Europameisterschaft 2021 hat Millionen Menschen weltweit bewegt. Die Stralsunder Studentin Nena Stelling (26) hat dem Dänen nun ihre Abschlussarbeit gewidmet – und erklärt ihn zum wichtigsten Botschafter für den Einsatz von Automatisierten Externen Defibrillatoren (AED). „Eriksen war tot und wurde wiederbelebt. Ohne bleibende Schäden“, sagt Stelling. „Von der EM habe ich fast nichts mitbekommen, weil ich gerade an meiner Bachelor- Arbeit geschrieben habe. Doch das Ereignis von Eriksen erreichte mich über viele Kanäle – und hat mich echt gepackt.“ Es ist genau ihr Thema. Das wussten natürlich Freunde. Unmittelbar nach dem Eröffnungsspiel wurde die 26-Jährige von Freunden angeschrieben. „Es erinnerte sie an meine Arbeit“, sagt Stelling. „Sie schrieben mir, dass sie jetzt auch einen Erste-Hilfe-Kurs machen werden.“

Bewegende Worte als Widmung

Diesen positiven Trend begrüßt die BWL-Studentin der Stralsunder Hochschule (HOST). Ihr geht es darum, Leben zu retten – mit dem Einsatz der Defibrillatoren. „Das geht, wie man im TV gesehen hat, wenn man sie richtig einsetzt“, sagt sie. In ihrer Arbeit untersucht sie, ob eine Weiterentwicklung des AED Laien die „Angst“ vor der Anwendung nehmen kann. In Gedanken an Eriksen eröffnet sie ihre Arbeit zudem mit folgenden Worten: „Er war weg! Christian lag auf der Seite, atmete und hatte auch Puls. Aber plötzlich änderte sich das. Er war schon von uns gegangen. Wir haben mit der Herzmassage begonnen und einen Schock ausgelöst, weil er weg war. Wir haben es geschafft, ihn zurückzuholen“, dies sagte Dänemarks Mannschaftsarzt Martin Boesen, nachdem er den dänischen Nationalspieler retten konnte. Zwischen den Zeilen liegen der Schock, die Anspannung, die er empfunden haben muss, und zugleich dieses schwer greifbare, überwältigende Gefühl, jemanden ins Leben zurückgeholt zu haben. Diese Worte sind es, die Stelling gepackt haben. In dieser hat sich die Studentin der Hochschule Stralsund (HOST) eben mit der Technik und deren Weiterentwicklung beschäftigt, die es möglich macht, dass Christian Eriksen heute noch am Leben ist. Dennoch ist ihr klar, dass er indirekt – und situationsbedingt ungewollt und ungeplant – zum aktuell wohl prominentesten Botschafter für den Einsatz von AED geworden ist.

Vom AED 1.0 zum AED 2.0

Stellings Arbeit baut auf die Erkenntnisse einer Studentin der Hochschule Flensburg auf. AED würden zwar mit den Anwendern sprechen, aber das sei vielen Laien, die oft zu viel Respekt vor der Anwendung hätten, nicht bewusst. Ihre Vorgängerin, Wencke Behrmann, beschäftigte sich damit, solche Problemstellungen zu beseitigen. Neben optisch-gestalterischen Veränderungen ist jedoch auch eine technische Weiterentwicklung notwendig, die nicht unerhebliche Investitionen in die Geräte zur Folge hat. Für einen AED 2.0 will Stelling mit ihrer Arbeit also auch einer Investitionsentscheidung für ein solches Gerät eine solide Grundlage bieten. Daher bezog sie potenzielle Anwender mit ein.

Viele Personen wissen, was ein AED ist – doch nicht alles ist bekannt

„Ich habe bei den Weiterentwicklungsmöglichkeiten des AED angesetzt“, erklärt die 26-Jährige, „dass bei der Herausnahme des Gerätes ein automatisierter Alarm ausgelöst wird, zum Beispiel, oder ein GPS-Signal an die Rettungskräfte gesendet wird.“ Zudem sollte die Spracheinheit verbessert werden. All das führe auch tatsächlich dazu, dass die Menschen sich eher trauten, das Gerät einzusetzen. Das ergab eine Online-Umfrage, die Nena Stelling unter anderem über die sozialen Netzwerke deutschlandweit verteilt hat. Insgesamt nahmen 361 Probanden teil. 55 Prozent davon waren im Alter von 21 bis 30 Jahren, etwas mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Teilnehmer war weiblich. „Es ging bei den Fragen darum, wer davon weiß, ob der AED sich selbst erklärt und ob sich die Leute die Anwendung zutrauen“, erläutert sie. Von den Ergebnissen war sie teils selbst überrascht. So wussten nicht nur 55 Prozent, was ein AED ist, sondern deutlich mehr als dreizehn Prozent hatten bereits ein solches Gerät in der Hand und waren somit mit der Anwendung vertraut. „Vor meiner Beschäftigung mit dem Thema hatte ich selbst noch keinen in der Hand“, sagt sie. Dennoch sei aktuell ein Manko, dass die lebensrettenden Geräte bisher noch zu wenig selbsterklärend sind – auch in Hinblick auf das Design. Zudem wüssten zu wenig Menschen, dass es selbsterklärende Piktogramme gibt – und knapp ein Drittel wusste bisher auch noch nichts von den optischen Signalen.

 Neuer AED würde Hemmschwelle senken

„Man sieht, dass die Unsicherheit mit dem AED 2.0, meiner Weiterentwicklung, ein Stück genommen wird“, ist ein Fazit von Stelling, die ihre Arbeit unter der fachlichen Betreuung bei Prof. Dr. Lieven Kennes, mit Prof. Dr. Ivonne Honekamp als Zweitgutachterin, realisiert hat. Für ihre Arbeit gewann sie sogar einen Unternehmenspartner: Markus Kaminski, Fundraiser vom Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Parchim. „Den Kontakt hat Prof. Kennes vermittelt“, erinnert sich Nena Stelling, der die Praxis in ihrem Studium immer wichtig war nen über die flächendeckende Ausstattung des öffentlichen Raumes mit AEDs um einen wesentlichen Beitrag ergänzen“, heißt es vom DRK zu Stellings Arbeit.

26-Jährige geht nach Hamburg

Die 26-Jährige, die ursprünglich aus Tellingstedt (Schleswig-Holstein) kommt, möchte auch weiterhin in Kontakt mit dem DRK bleiben – und hofft, dass in die Weiterentwicklung des AED auch investiert wird. „Ich weiß, dass es sich um einen langen Prozess handelt. Aber man kann jetzt auf meine wissenschaftliche Arbeit zurückgreifen“, sagt sie. Derzeit befindet sich diese im Druck – auch Fußballer und AED-Botschafter Eriksen soll später ein Exemplar bekommen. Ob Stelling selbst den Master auch noch in Stralsund macht, ist derzeit unklar. Nach einem Praktikum bei der Hamburger Firma Pima wurde ihr prompt ein Job angeboten – jetzt will sie dort erst mal durchstarten. Das Meer in der Nähe ist ihr dabei wichtig. „So bin ich auch auf Stralsund gekommen“, sagt sie. „Für mein Studium war es eine gute Adresse und einfach eine schöne Zeit“, sagt sie. „Allein der Strand vor der Tür und auch

Quelle: OSTSEE−ZEITUNG - Sonnabend/Sonntag, 24./25. Juli 2021

Ganzer Artikel