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extra.stark! 01 - 2022 | Tierisch langsam Ruhe und Geduld erlernen

Schnecken in der Sozialpädagogik - Die Begegnung mit einer anderen Art ist auch eine Begegnung mit sich selbst!

„Ich fragte eine Schnecke, warum sie so langsam wäre. Sie antwortete, dadurch hätte sie mehr Zeit, die Welt zu sehen.“

(Wolfgang J. Reus)

Kim Anne Pecksen und Mandy Piëch vom DRK Kreisverband Parchim nehmen sich viel Zeit für die Bedürfnisse von Familien und Kindern. Beide arbeiten mit Schnecken, und zwar mit afrikanischen Riesenschnecken.   

In der heutigen, schnelllebigen Zeit bekommt ein Grundsatz in der Arbeit mit Schnecken eine neue Bedeutung: „In der Ruhe liegt die Kraft.“ Der Ansatz tiergestützter Interventionen (TGI) nutzt das intuitive Verständnis zwischen Mensch und Tier, um soziale Kompetenzen und psychische Gesundheit zu fördern.

„Ich bin seit mehreren Jahren als Schulsozialpädagogin und Traumapädagogin tätig. Seit Januar 2020 in der Grundschule Sternberg. Auch hier habe ich immer wieder mit Schülern zu tun, die hyperaktiv und aggressiv sind und sich kaum konzentrieren können“, sagt Kim Anne Pecksen. Bei der Überlegung nach einer weiteren Möglichkeit, mit diesen Kindern zu arbeiten, kam sie auf die tiergestützte Pädagogik. Auf der Suche nach einem geeigneten Tier geriet die Achatschnecke ins Visier. „Mittlerweile begleiten mich meine Großen, Poldi und Zacke, schon ein paar Jahre. Sechs Baby-Ovum sind noch in der ,Ausbildung’. Sie unterstützen mich in der Einzelarbeit mit zwei Grundschülern.“ Alle diese Schnecken gehören zu den „Ovum“ und können eine Hauslänge von 18 Zentimetern bekommen. Da es meist zwei Kinderhände braucht, um eine „Ovum“ zu halten, begleiten seit einem Jahr auch kleinere Schneckenarten die Arbeit. Allein der Anblick dieser großen und kleinen Geschöpfe löst bei vielen Kindern Faszination aus. Tiere wecken Kontaktfreude und Neugierde. „Gerade Schnecken fördern durch ihre Langsamkeit Geduld und Konzentration. Sie helfen uns, in eine andere Welt einzutauchen, uns zu erden und somit den Weg zum inneren Gleichgewicht zu finden“, weiß Kim Anne Pecksen.

„Meine Hauptarbeitszeit verbringe ich in der Erziehungsberatung des DRK Kreisverbandes Parchim. Im Rahmen meiner Arbeit begleite ich Familien und deren Kinder in schwierigen Lebenslagen“, sagt Mandy Piëch. In der Zusammenarbeit von Kind – Tier – Eltern gibt es eine neue Möglichkeit, den Blickwinkel auf schwierige Situationen zu verändern. Besonders Kinder zwischen vier und zwölf Jahren und deren Eltern sind begeisterungsfähig, eine kurzzeitige Verantwortung zu übernehmen. „Sie erleben für einen Moment ein Gefühl von Eigenständigkeit und Vertrauen ihnen gegenüber“, berichtet die systemische Sozialtherapeutin.

Auch Anpassungsschwierigkeiten wie Unruhe, Wut oder Zurückgezogenheit von Kindern im Schullalltag belasten Familien und stellen für alle Beteiligten große Herausforderungen dar. „In meiner Beratung lernte ich Marlon kennen. Er ist im Schulalltag mit Ungeduld und Verunsicherungen im sozialen Verhalten aufgefallen“, berichtet  Mandy Piëch. In der Zusammenarbeit mit dem achtjährigen Jungen zielt sie darauf ab, ein Bewusstsein mit ihm zu erarbeiten, mit dem er Situationen im Alltag einschätzen lernt und den Zusammenhang zu seinem Verhalten erkennt. Die Schnecken helfen dabei.

Text/Fotos: Mandy Paech / Kim Anne Pecksen