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Dauer-Power beim Lieblingsjob

Text / Foto: BA

In stationären Wohngruppen begleiten Mitarbeitende rund um die Uhr Kinder und Jugendliche

Endich Feierabend? Die meisten haben nach acht Stunden ihr (berufliches) Tageswerk vollbracht. Ganz anders ist das bei den Erzieherinnen und Erziehern in den Stationären Wohngruppen des Jugendhilfeverbundes im DRK Kreisverband Parchim. Da dauert eine Schicht 24 Stunden. Und die Mitarbeitenden finden das sogar toll. 15 Kinder und Jugendliche im Alter von neun bis 18 Jahren leben beispielsweise in den Wohngruppen der Seestadt Plau. Weitere werden im ambulanten Bereich begleitet. Warum die Arbeit richtig Spaß macht, kann wohl niemand besser beurteilen als die Mitarbeitenden selbst. „Ich mache den Job bereits seit sieben Jahren, weil es mir hier einfach gefällt. Für mich sind die Arbeitszeiten von großem Vorteil: Ich mag den Wechsel zwischen Arbeit und Freizeit – tageweise. Das eröffnet mir deutlich mehr Spielräume für meine Zeit außerhalb der Wohngruppe“, sagt Maik Bühring. Der Erzieher begann seine berufliche Laufbahn bei der Bundeswehr. Mit einem Praktikum ist er danach in den Jugendhilfeverbund gestartet. „Das war schon herausfordernd. Aber es macht viel Spaß. Es gibt eine gute Balance bei den Anforderungen, die wir gemeinsam bewältigen. Viel Zeit am Stück mit den Kindern und Jugendlichen verbringen zu können, stärkt mich. Auch, wenn mal wieder Fingerspitzengefühl gefragt ist. Ich bin einfach näher dran.“ Auch sein Kollege Mathias Zachow ist ein vehementer Fürsprecher bei dem nicht so gewöhnlichen Arbeitszeitmodell. „Ich bin in meinem familiären Umfeld mit Schichtarbeit im Sozialbereich aufgewachsen. Insofern war das gar nicht so außergewöhnlich, als mir der 24 Stundendienst angeboten wurde. Ich kann und möchte mir heute gar nichts anderes mehr vorstellen. Ich habe ein großes Zeitfenster für meine Tätigkeit. Und andererseits viel mehr Optionen für die Gestaltung meiner privaten Interessen.“ Ganz sicher spielt auch ein großes Maß an Abwechslung eine Rolle. „Es ist nie langweilig. Jeder Tag wartet mit neuen Aufgaben, wenn es darum geht, Kinder und Jugendliche zu begleiten, deren Entwicklungswege nicht geradlinig verlaufen“, sagt Sozialpädagogin Marie-Therese Volkmann. Gerade in Situationen, die dem Alltag in einer stationären Wohngruppe noch mehr Herausforderungen bescheren, bewährt sich der grandiose Zusammenhalt des Teams. „In den zurückliegenden Wochen haben sich Abläufe und Strukturen zwangsläufig verändert. Es gab noch mehr Zeit füreinander. Das hat alle zusammengeschweißt“, berichtet Therapeutin Juliane Steinbach. Nele Erbe ist gerade dabei, ihr Studium zu beenden. Ein Praxissemester führte sie in die stationäre Jugendhilfe und zur Entscheidung, künftig als Erzieherin in der Plauer Wohngruppe zu arbeiten. „Nach dem überwiegend allgemein gehaltenen Studieninhalten konnte ich hier beeindruckende Praxiserfahrungen sammeln. Ich bekomme eine sehr gute Anleitung. Verschiedenste Aspekte werden in Reflexionsgesprächen noch einmal hinterfragt. So kann ich mich ständig weiterentwickeln. Alle Kolleginnen und Kollegen unterstützen mich. Wenn ich Fragen habe als Berufsstarterin, bekomme ich immer Antworten.“ Dieses Arbeitsklima hat die 20-Jährige gestärkt und ihr auch Rückhalt gegeben. „Ich war anfangs nicht ganz sicher, ob der geringe Altersunterschied zu den Jugendlichen hier vielleicht zu einem Autoritätsproblem werden könnte. Das ist nicht der Fall.“ Überlegungen hatte die junge Frau auch hinsichtlich des 24 Stunden-Dienstes. „Das ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Aber wer soll denn diese Arbeit machen, wenn nicht wir? Ich erlebe hier gerade einen Berufseinstieg nach Maß – genau so hatte ich mir das immer vorgestellt. Alles passt!“ Dörte Evert, Pädagogische Leiterin, hört das gern. Zu den Besonderheiten bei der Arbeit im Jugendhilfeverbund gehört nämlich, dass die Mitarbeitenden mit Leidenschaft da sind für Menschen in Not. Dass sie einen großen Spannungsbogen an Emotionalität aushalten, enorm viel Fachkompetenz einbringen und ein hohes Maß an Verantwortung übernehmen. Schließlich schreiben sie alle an den Biografien ihrer Schützlinge mit. „Hier bestimmt die Frage ,Was kann ich geben, damit es einem Kind gut geht?’ das Handeln." Es gehe darum, Ambivalenzen auszuräumen, das Miteinander optimal zu gestalten, Resilienz zu unterstützen… Das funktioniert nur, wenn das Team stark ist und sich jeder zu mehr als 100 Prozent auf den anderen verlasen kann. Dabei gehe es nicht darum, vorzumachen, wie „bessere Eltern“ sein sollten oder gar eine Konkurrenzsituation aufzubauen. „Vielmehr bestimmt als zweite Säule eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Familien unsere Tätigkeit. Wir sind mit Herzblut für die jungen Menschen da, für die es im bisherigen Umfeld gerade kein ,Weiter’ gibt.“ Und daran wirken alle mit: Erzieher, Therapeuten, Sozialpädagogen, Hauswirtschafts- und Verwaltungskräfte. Mit einem solchen Maß an Motivation konnten die 17 Mitarbeitenden bislang auch die schwierige Zeit der Pandemie meistern. „Es war schon eine besondere Atmosphäre. Auf einmal gab es keine Besuche mehr, keinen Urlaub, keinen Ausgang. Soziale Kontakte wurden aufs Telefonieren reduziert. Großartig verhielten sich die Eltern unserer Kinder und Jugendlichen. Sie folgten allen Regeln und zeigten beeindruckendes Interesse, wie wir den Lockdown mit den Kindern und Jugendlichen hingekriegt haben“, sagt Dörte Evert. Sie ist sehr stolz auf ihr Team. An jedem Tag, das betont sie gern.  Der DRK Kreisverband Parchim e.V. betreibt im Jugendhilfeverbund Wohnruppen in Plau am See, Parchim, Crivitz und Brüel. Einen Kindernotdienst gibt es in Parchim und ab 1. September auch in Ludwigslust.