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Leben retten dauert nur 35 Minuten

Für den DRK-Blutspendedienst sind Termine in Parchim wie Heimspiele / Auch am 02.08.2018 spendeten rund 100 Freiwillige Blut im Haus der Jugend
Simone Herbst - Parchim/Lübz
Zeitung für Lübz-Goldberg-Plau, für Sternberg - Brüel - Warin, Parchim

Das Jahr ist zur Hälfte um und schon 42 Blutspendetermine sind im Kalender des DRK-Blutspendedienstes im Altkreis Parchim vermerkt. Und abgehakt. Immer an bewährten Orten. Erst gestern hatten die Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes ihr Equipment im Haus der Jugend in Parchim ausgepackt. An einem Tag, der nicht so heiß daherkam wie die vorherigen. Aber es hätten auch 40 Grad sein können – knapp 100 Spender legten sich auf die Pritschen. Einer von ihnen Andreas Linke. Kein Parchimer, wie man annehmen könnte, sondern waschechter Hamburger. „Ich arbeite als Kinderarzt hier in der Kreisstadt. Bin also fünf Tage die Woche hier, da bietet es sich an, ins Haus der Jugend zu gehen“, sagt Linke. Seit etwa zehn Jahren ist er Freiwilliger. Gestern war seine 34. Blutspende. „Ich finde es wichtig, etwas Sinnvolles zu tun, auch an andere zu denken, Menschen, die auf Blutkonserven oder -präparate angewiesen sind.“ Das sollten viel mehr Leute tun, vor allem auch junge. Über einen deutlichen Abwärtstrend bei der Spendenbereitschaft kann der Tag gestern nicht hinwegtäuschen. Margitta Kunkel, Werbereferentin beim DRK-Blutspendeinstitut Schwerin, hat die Zahlen von 1998 und 2008 mit den heutigen verglichen. Vor 20 Jahren standen 6486 Spendenwillige in den Büchern. „Davon konnten 6152 am Ende tatsächlich spenden“, sagt die Pressereferentin. Die anderen waren nicht geeignet, etwa wegen gesundheitlicher Gründe, weil sie Medikamente nehmen oder nicht die geforderten 50 Kilo wiegen. Was aber wichtig war: Es waren 701 Neuspender bei insgesamt 101 angebotenen Terminen. Zehn Jahre später, 2008, sah es auch gut aus: 7187 Spendenwillige, 6670 Spender, 535 Neuspender bei 111 Terminen. Doch die Ära, in der der Altkreis Parchim die Spitzenposition bei der Spendenbereitschaft im Land hielt, war vorüber. Erstes Halbjahr 2018: 1980 Spendenwillige, 1837 Spender, 50 Neuspender, 42 Termine. „Hochgerechnet auf das Jahr werden wir in der Parchimer Region deutlich weniger Spender haben“, sagt Margitta Kunkel. Und auch weniger angebotene Termine, da auch das DRK effizient arbeiten muss. Und da sind 35 Spender pro Termin ein Muss. „Deshalb haben wir uns in den vergangenen Jahren von kleineren Terminen auch verabschieden müssen.“ Einen Grund sieht sie in den geburtenschwachen Jahrgängen, die jetzt im Spenderalter sind. „Uns fehlen ganz einfach die 18- bis 35-Jährigen“, sagt Kunkel und fügt hinzu, „das sind auch die Jahrgänge, die nach finanziellem Ausgleich fragen.“ Das DRK zahlt keinen, „weil wir in unseren Grundsätzen ,unentgeltliche, freiwillige Spenden’ verankert haben. Und das werden wir auch nicht ändern.“ Anders die privaten Blutspendedienste, die seit etwa 2005 auf den Markt drängen. Die Welle der Abwanderung habe der DRK-Blutspendedienst sofort gemerkt. „Viele sind inzwischen aber auch wieder zu uns zurückgekehrt“, freut sich Margitta Kunkel. Gibt die sinkende Spendenbereitschaft Anlass zur Sorge? „Grundsätzlich nein, wobei man natürlich auch sagen muss, dass unsere Spender 45 Jahre und älter sind. Wenn keine jungen Freiwilligen nachkommen, wird es irgendwann einmal eng. Denn Fakt ist, Blut lässt sich nicht künstlich herstellen“, so die Werbereferentin. Gemessen werde das DRK jedoch an seinem Versorgungsauftrag. Und den könne es erfüllen. 300 Blutspenden muss der Blutspendedienst MV täglich bringen. „Früher waren es noch 450 bis 500“, sagt Margitta Kunkel. „Der Bedarf an Blutpräparaten ist gesunken, was vor allem am Fortschritt liegt, Operationen heute viel schonender sind.“ Die meisten Blutkonserven wird übrigens nicht für schwerverletzte Unfallopfer benötigt, wie viele meinen. „Die brauchen die Ärzte dringend für ihre Krebspatienten“, weiß Margitta Kunkel. SVZ Artikel Download